Der Tattoo-Convention-Wanderzirkus zieht und wächst weiter – warum wir da nicht mitmachen
Deutschland ist das Zentrum für Tattoo Conventions geworden. Mehr als 120 Tattoomessen hat es 2018 hier gegeben und 2019 werden es vermutlich noch mehr werden. Inzwischen denkt sich nahezu jede örtliche Feuerwehr, jede Disco und vor allem jede Eventagentur folgendes: „Eine Tattoo Convention machen ist ja einfach“. Somit leicht verdientes Geld.
Dem ist aber nicht so, zumindest nicht wenn man eine gute Tattoomesse anbieten möchten. Ein paar Veranstalter lassen zudem jedes Schamgefühl vermissen
1. Tattooconvention Garmisch 2019? Wo ich dort schon auf einigen Tattoomessen in den Jahren zuvor gewesen bin?
So bin ich heute morgen darüber gestolpert, dass ein Veranstalter für 2019 die „1. Tattooconventon Garmisch“ angekündigt hat. Ich war kurzfristig verwirrt. „Garmisch? Da waren wir doch vor ein paar Jahren schon auf der Tattoomesse von Marko Wanke“. Dann schaute ich mir das Plakat an und es erinnerte mich stark an das, welches mir vor ein paar Monaten schon aufgefallen ist. Damals wurde für 2018 die „1. Tattooconvention Augsburg“ angekündigt.
Wie kann das sein, wo wir doch jetzt schon bald seit 10 Jahren regelmäßig in Augsburg an der Tattoomesse teilnehmen? Aber damit nicht genug. Kurz auf die Facebook-Seite vom Veranstalter geschaut. Dieser zieht nahezu durch ganz Bayern und kündigt auch die 1. Tattooconvention Memmingen an.
Dort waren wir ebenfalls schon vor 8 Jahren auf einer Tattooconvention. Ähnlich verhält es sich mit Coburg, auch dort gibt es nun eine “erste Tattoo Convention”. Komischerweise stehen auch von dort schon Auszeichnungen bei uns in München im Tattoostudio.
Überall Tattoo Convention dort wo es schon eine gibt. Oder niemand eine braucht
Ansonsten bereist man auch jede Menge Städte und Dörfer, in denen es entweder schon Veranstalter von Tattooconventions gibt (z.B. Ingolstadt). Oder es einfach keine Tattoo Convention braucht (z.B. Fürstenfeldbruck).
Jetzt ist das ja grundsätzlich ein freies Land und jeder kann erst einmal machen was er will. Die Leute können meinetwegen gerne Tattoomessen veranstalten. Ich kann aber auch dazu schreiben, dass ich das – gelinde gesagt – nicht gut finde und das aus folgenden Gründen.
1. Eine Tattoomesse dort als „erste“ Tattooconvention anzukündigen wo es bereits fest etablierte Messen gibt, ist einfach gelogen und verarscht die potentiellen Besucher / Kunden. Ebenso aber auch die Tätowierer die vielleicht noch nicht so lange in der Tattooszene zu Hause sind.
2. Die vielen Tattoomessen – insbesondere die vielen Dorf-Tattooconventions mit dem entsprechendem dürftigem Line-Up an Tätowierern – versauen halt den Ruf der Conventions allgemein. Somit kosten sie den etablierten Tattoo Conventions, aber auch den dort teilnehmenden Tattoostudios Besucher und Geld.
Über kurz oder lang wird das das sterben der Tattoo Conventions beschleunigen
Das wird über kurz oder lang zum sterben der Tattoomessen führen, denn:
a) Die Qualität der Tätowierer auf den Messen entwickelt sich ja geradezu entgegengesetzt zu der allgemein steigenden Qualität an Tätowierern. Dadurch, dass es inzwischen so unfassbar viele Tattoomessen gibt, haben viele Conventions Probleme ihre Stände überhaupt loszubekommen.
Zwangsweise besetzt man die Plätze dann mit eher durchschnittlichen oder schlechten Tätowierern. Dementsprechend werden dann die Walk-In-Tattoos bei der unbedarften Kundschaft, was wiederrum dazu führt, dass der Ruf der Messen allgemein leidet.
b) wenn innerhalb kürzester Zeit mehrere Messen in nahem Umkreis sind, dann sind natürlich auch nicht mehr genug Besucher für alle da. Die Tätowierer sitzen ohne Beschäftigung da. Dieses Phänomen habe ich auf vielen – auch sehr guten – Tattoomessen in letzter Zeit beobachten können.
Dementsprechend besuchen diese Tätowierer dann zukünftig keine Messen mehr und machen Platz für die in a) genannten Tätowierer – ein Teufelskreis.
Verwässerung der Tattooszene – und der Tattoo-Awards
Darüber hinaus verwässert es ganz allgemein die Tattooszene und die Awards, die auf Messen vergeben werden. Wenn an jedem Wochenende mehrere Tattoomessen mit mehreren Tattoocontests sind, dann hat irgendwann jeder Hinterhof-Tätowierer einen 3. Platz Best-of-Freehand-Gekrakel in Entenhausen daheim stehen-
Damit kann er seiner Kundschaft (nicht zuletzt über die sozialen Netzwerke) suggerieren, dass er ein Tätowierer ist der auf Tattoomessen abräumt. Klar gibt es in der Tattooszene Leute die Ahnung haben. Der unbedarfte Durchschnittskunde kennt jedoch nicht den Unterschied zwischen dem Pokal aus Entenhausen oder aber dem aus Mönchengladbach oder Zwickau. Beides übrigens sehr gute Messen.
Update: die Macher der Tattoo Convention Mönchengladbach (genauer gesagt der Ink Explosion Mönchengladbach) haben bereits angekündigt, keine Messe mehr zu Veranstalten.
Aber diese Messen kann doch jedes Tattoostudio für sich nutzen?
Jetzt könnte man natürlich einfach sagen „na, dann fahrt doch auf die Messen und räumt die Preise ab bzw. präsentiert euch und nutzt das für euch“. Ja, das könnten wir in der Tat machen bzw. versuchen.
Nur geht bei uns schon mehr als genug Zeit und Geld für die hochkarätigen und alteingesessenen Tattoomessen drauf die wir gerne besuchen und unterstützen. Die Liste ist lange nicht abschließend, aber spontan fallen mir da von diesem Jahr ein: Zwickau, Mailand, Mönchengladbach, Frankfurt, München, Venedig, Las Vegas, Rosenheim, Eggenfelden, das Augsburger Original oder London.
Jede Messe kostet uns Zeit und Geld.
Zum anderen wollen wir eben genau diese Entwicklung mit unserer Anwesenheit und unserem Geld nicht unterstützen und meiden darum diese Conventions.
Noch einmal: das ist ein freies Land. Jeder kann ein Tattoostudio aufmachen wo er möchte und natürlich kann auch jeder eine Tattoomesse veranstalten wo er es für richtig hält. Allerdings sollt man auch dabei gewisse Anstandsregeln einhalten.
Aber da dies ein freies Land ist, kann ich auch deutlich sagen dass ich diese Entwicklung Scheiße finde. Meiner Meinung nach sollten sich die potentiellen Besucher, aber auch die Tätowierer und Händler sich ganz genau überlegen, ob sie mit ihrer Anwesenheit unserer schönen Szene weiter ihr eigenes Grab schaufeln möchten.
Stephan Tempel
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