Tattoo-Copycats – das kopieren von Tattoo-Custom-Designs

Der Begriff Copycats hat seinen Ursprung aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum und bezeichnet auf negative Art und Weise, das reine Nachahmen und Kopieren einer Geschäftsidee (Businessinsider). In der Tattooszene wird er für das kopieren von einem Tattoo, zumeist von Custom-Designs benutzt.

Copycats in der Tattoo – Szene

An dieser Stelle widme ich mich diesmal einem Thema, welches uns nun seit einigen Jahren in unregelmäßigen Abständen immer wieder beschäftigt. Copycats, also Kopien von bereits bestehenden Tattoos. Meistens informiert uns ein Kunde oder Freund darüber, dass er irgendwo in den weiten des WorldWideWeb auf eine Kopie von einem Tattoo gestoßen ist, welches zuerst bei uns tätowiert wurde. Meist werden solche Tattoo-Kopien auf Facebook oder Instagram oder gar auf einem großen Tattoo-Portal entdeckt.

Die kopierte LaCatrina ist im Original von Tibor Szalai.

Sehr viele gute Tätowierer davon betroffen

Natürlich passiert das aber nicht nur bei uns, sondern es geht sehr vielen guten Tätowierern so. Je bekannter ein Tätowierer ist und je mehr Follower er in den sozialen Netzwerken hat – um so bekannter und beliebter sind seine Bilder. Auch spielt die Verbreitung über große Tattooseiten mit eine Rolle. Je öfter ein Tattoo geteilt wird, um so mehr Leute sehen dies und möchten exakt dies haben.

Pauschal kann man sagen: Je beliebter ein Tattoo ist, um so öfter wird es kopiert. Kleine Tätowierungen sind davon natürlich häufiger betroffen als größere. Allerdings werden auch komplette Backpieces kopiert.

Diskussionen über Copycat

Fast immer entwickelt sich dann unter dem Bild der Copycat eine hitzige Diskussion. Oftmals wird die dann auch noch auf der Seite des ursprünglichen Künstlers fortgeführt wenn dieser auf seiner Seite auf die Copycat hinweist.

Es sind wohl so ziemlich alle Argumente darüber zigfach ausgetauscht worden, ich will sie mal aus meiner persönlichen Sichtweise erläutern und kommentieren.

Die häufigsten Kommentare – meist von Anhängern der Copycat sind:

1. “Freut euch doch dass ihr kopiert werdet, das ist eine Auszeichnung für das Original”

und

2. “man muss damit rechnen, das man ein Bild dass man ins Internet stellt auch kopiert wird. Wenn ihr das nicht wollt, dann stellt es nicht ins Internet”

Diese Aussagen enthalten – auf den ersten Blick betrachtet – sogar ein paar Wahrheiten, wir wollen sie uns aber einmal etwas genauer anschauen.

Natürlich ist es irgendwo eine gewisse Auszeichnung, wenn ein Bild (oder ein T-Shirt, eine Uhr, Turnschuhe…) kopiert wird. Denn nur was bekannt und begehrt ist, wird auch kopiert. Rolex, Louis Vuitton, Adidas, Levis etc. können ein Lied davon singen.

Das – inkl. Noten spiegelverkehrt – kopierte Herz ist im Original im übrigen von Julia Tempel.

Niemand kopiert ein No-Name – Produkt – und niemand kopiert ein schlechtes Tattoo

Niemand kopiert eine No-Name-Jeans vom Discounter. Wenn man die einzige Gemeinsamkeit von Tattoos und Markenartikeln feststellen mag, dann ist das eben dass Tattoos von guten Tätowierern eben gut und begehrt sind und deswegen kopiert werden.

Allerdings: Ein Tattoo ist kein Massenartikel. Zumindest meistens nicht.

Da enden die Gemeinsamkeiten aber halt auch schon. Ein Tattoo ist meist eine Custom-Arbeit, bei der der Kunde sich für seine Gedanken einen bestimmten Tätowierer ausgesucht hat. Er hat oftmals eine lange bis sehr lange Wartezeit für sein Tattoo in Kauf genommen und mit dem Tätowierer seine Wünsche und Vorstellungen besprochen.

Der Tätowierer hat dann seine ganze Kreativität und sein ganzes Können dafür eingesetzt, dass der Kunde auch sein Tattoo bekommt.

Es ist eben kein T-Shirt bei dem Scheißegal ist ob es Peter, Hans oder Murat oder alle gleichzeitig anziehen… es ist eine Custom-Arbeit. Der Kunde hat dafür unter Umständen sehr lange gespart, eine lange Anreise und viel Wartezeit in Kauf genommen, damit sein Künstler das perfekte Tattoo für ihn tätowiert.

Aus Kundensicht hat der Kunde einfach ein Recht darauf, dass er ein Unikat trägt.

Der Tätowierer hat sich – und das bekommen die Kunden oftmals gar nicht mit – vermutlich viele Stunden lang im Tattoostudio oder daheim hingesetzt, um für den Kunden das optimal herauszuholen.

Er mag mit überdurchschnittlichem Talent gesegnet sein, eine Kunstschule besucht oder Kunst studiert haben – egal, eines ist sicher:

Er hat bis zum Entwurf schon tausende Stunden gezeichnet und tätowiert, dadurch ist er auf dem Level wo er jetzt ist. Auch jetzt kann es sein, dass der Tattooentwurf noch viele Stunden in Anspruch nimmt, oftmals mehr als die reine Stechzeit. Zeit, die im Regelfalle niemand bezahlt, aber darum geht es an dieser Stelle nicht. Der Tätowierer, der das ursprüngliche Tattoo kreiert hat, ist ein Künstler.

Er – und nur er alleine – hat durch seine schöpferische Arbeit sämtliche Urheberrechte an dem Tattoo – § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG (Urheberrechtsgesetz).

Ein guter Kopierer ist ein guter Kopierer. Aber eben kein Tattoo-Künstler.

Der, der das Tattoo kopiert, mag handwerklich ein guter Tätowierer sein. Meist ist er das nicht, denn gute Tätowierer kopieren üblicherweise keine bereits bestehenden Tattoos, aber Ausnahmen bestätigen die Regel.

Er wird jedoch durch solche Arbeiten niemals als Künstler respektiert. Oder hat man schon einmal von einem Künstler gehört, der ein bereits bestehendes Kunstwerk 1:1 kopiert?

Das ist die moralische Sichtweise. Abgesehen davon ist es eine Urheberrechtsverletzung und somit schlicht und ergreifend illegal. Der Tätowierer kann Unterlassung (schwierig…) und Schadensersatz fordern. Was viele nicht wissen: Hier kann sich sogar der Staatsanwalt darum kümmern – der § 106 UrHG macht es möglich.

Mir ist im übrigen in all den Jahren in der Tattooszene kein Tätowierer über den Weg gelaufen, der sich darüber gefreut hat, dass ein Tattoo von ihm kopiert worden ist.

Muss man ernsthaft damit rechnen, dass etwas was man ins Internet stellt von Copycats kopiert wird?

Das in meinen Augen noch viel dümmere Argument ist “man muss damit rechnen, dass etwas was man im Internet finden kann auch kopiert wird”.

Wir reden immer noch von Tattoos – also dementsprechend auch von Tätowierern, die sich meist als Künstler betrachten. Man muss also nicht zwingend damit rechnen, dass ein “Künstler” die Arbeit von einem anderen Tätowierer kopiert. Das ist das eine.

Ansonsten ist das – etwas überspitzt – Victim-Blaming vom feinsten. Wenn etwas gestohlen wird, dann liegt die Schuld beim Dieb – nicht bei denjenigem, der bestohlen worden ist.

Am “lustigsten” finde ich dieses Argument immer dann, wenn es in Tattooforen oder auf Tattooseiten auftaucht. Ich frag mich immer, was sich die Leute auf diesen Seiten eigentlich anschauen würden, wenn kein Tätowierer mehr seine Bilder online stellen würde. Oder welchen Inhalt wohl ein Tätowiermagazin ohne Bilder von Tätowierungen hätte.

Ernsthaft: Die Bilder vom Tätowierer sind sein Kapital – es ist doch vollkommen logisch, dass ein Tätowierer heute seine Bilder online stellt. Wie bitteschön, soll er sich denn ansonsten präsentieren? Wie soll der Kunde entscheiden, zu welchem Tätowierer er geht, wenn er sich keine Bilder anschauen kann? Tätowierer müssen ihre Arbeiten veröffentlichen, das ist ihr Kapital. Kopieren muss niemand.