Warum wir auf immer weniger Tattoo Conventions bzw. Tattoomessen fahren
Noch vor wenigen Jahren waren wir auf sehr vielen Tattoo Conventions vertreten. In unserem reisefreudigstem Jahr haben wir 50 Tattoomessen rund um den Erdball besucht. Von Jahr zu Jahr wurden es jedoch immer weniger.
Die Gründe warum wir auf immer weniger Tattoo Conventions fahren
Eine Tattoomesse als Tattoostudio vernünftig zu planen und durchzuführen ist seit jeher eine zeitaufwändige und kostenintensive Geschichte. Das möchte ich an dieser Stelle gerne etwas näher erläutern.
Kosten für eine Tattoo Convention
Der Messestand selbst darf je Tätowierer mit rund 400,- bis 500,- Euro veranschlagt werden. Dazu kommt selbstverständlich das Hotel, welches in halbwegs erreichbarer Nähe zur Messe im Durchschnitt mit 70,- Euro je Person und Nacht berechnet werden darf.
Steht eine weiter entfernte Messe an, wo man den bereits am Tag vor der Messe an- und am Tag danach abreist, kommt hier ganz schnell noch einmal der gleiche Preis zusammen wie für den Messestand selbst.
Ein weiterer Faktor sind die Kosten für Bahn- oder Flugticket oder auch das Auto. Auch dort kostet die Fahrt letztlich mehr als nur das Benzin. Dazu kommt noch die Verpflegung. Im Schnitt kostet eine etwas weiter entfernte Messe kostet pro Tätowierer ungefähr ´nen Tausender. Mal etwas weniger, aber auch durchaus mal etwas mehr.
Nicht unerheblicher Faktor: Zeit
Pre-Pre-Tattoo Convention:
Die Buchung vom Messestand, Hotel und Reisemittel ist auch ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist. Bis alle Varianten auf Wirtschaftlichkeit und Rentabilität durchgeprüft sind, vergeht locker mal ein halber Arbeitstag je Messe. Dazu kommt natürlich noch die Planung für die Contests, dementsprechend müssen ja auch die Kunden und ggf. eine gemeinsame Anreise geplant werden.
Pre-Tattoo Convention:
Deutlich Zeitintensiver sind da schon das Ein- und Auspacken vom Equipment sowie die An- und Abreise. Wenn man je Messe zwei Tage dafür veranschlägt ist man schon im unteren Bereich. Wer Freitag Vormittag einen Messestand in Berlin oder Venedig aufbaut, kann eher selten den ganzen Donnerstag noch tätowieren, dann alles packen und zum Messeort fahren.
Auch das sind Arbeitstage, an denen Tätowierer eigentlich tätowieren und Geld verdienen können. Eigentlich sogar müssen.
Auf der Tattoo-Convention:
Im Regelfalle wird bei einer Tattoo-Convention spätestens drei Stunden vor Eröffnung der Messe der Stand aufgebaut. Bei Messen, wo wir mit unserem großen Stand anreisen sogar oftmals am Vortag. Die Messetage selbst gehen dann zumeist bis 22 Uhr oder länger, zumindest Freitag und Samstag. 35 Arbeitsstunden in drei Tagen sind auch hier keine Seltenheit.
After-Tattoo-Convention:
Für die Rückreise gilt das gleiche wie für die Anreise. Oftmals wird eine zusätzliche Übernachtung fällig. Hinzu kommt: Wer drei Tage auf einer Messe mit entsprechender Geräuschkulisse gearbeitet hat, braucht meistens erst einmal ein paar Tage frei.
Werbefaktor leider immer geringer
Der Werbefaktor einer Tattoo Convention wird immer geringer. Noch vor ein paar Jahren ist man ausschließlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Auszeichnungen auf Tattoomessen, Berichte in Tätowiermagazinen etc. bekannt geworden. Doch das wird immer weniger.
Mit einem dreißig-sekündigen Video auf Instagram und Facebook erreichen wir heute mehr Menschen, als wenn wir fünf Tage auf einer Messe unterwegs sind. -Zudem haben wir auch den Eindruck, dass es die Menschen immer weniger interessiert, wer auf welcher Tattoo Convention welchen Preise gewonnen hat. Das ist grundsätzlich nicht so schlecht, die Kunden sollen ja wegen der Qualität der Arbeit ins Tattoo Studio kommen und nicht wegen den Preisen.
Allerdings ist eine Tattoo Convention schlußendlich eine Menge Arbeit und Geld und das muss sich am Ende des Tages dann ja doch irgendwo lohnen.
Inflationäre Zunahme von Tattoomessen
Noch dazu hat die Anzahl der Messen inflationär zugenommen, was bedeutet dass die Besucherzahlen bei vielen Messen trotz des Tattoobooms rückläufig geworden sind. Die Menschen verteilen sich einfach auf die vielen Messsen. Oder sie informieren sich lieber im Internet oder seit neuestem sogar im Fernsehen über “ihren” Wunschtätowierer.
Bei uns kommt noch hinzu, dass wir ohnehin sehr stark frequentiert/gebucht sind und die Kombination aus Wartezeiten und Entfernung uns nicht wirklich viele Kunden für das Geschäft in München bringt.
Warum dann überhaupt noch Tattoomessen besuchen?
Jetzt bleibt natürlich die Frage “wenn das alles immer weniger bring und immer teurer wird – warum fahrt ihr dann überhaupt noch und warum jammerst du hier so elendig rum?”
Ganz einfach: weil wir irgendwie immer noch Oldschool sind und Tattoomessen für uns einfach dazu gehören. Auch wenn es nicht unbedingt immer finanziell sinnvoll ist…. aber die Atmosphäre macht oftmals Spaß, man lernt andere Tätowierer kennen die dann auf Guestspots kommen. Besonders von den exotischen Messen schauen die Preise im Tattoostudio ja auch schick aus und sind eine Bestätigung unserer Arbeit…
Warum fängt der Stephan dann nach über hundert Tattoomessen das jammern an?
Weil sich die letzten Jahre eines leider ganz klar negativ entwickelt hat. Die Zuverlässigkeit vieler Kunden. Terminabsprachen wo dann die Anzahlung ausbleibt und man vom Kunden nichts mehr hört, dafür auf Facebook auf einmal geblockt wird. Oder Last-Minute-Cancellations wegen Krankheit, Tod (wir müssen eine verdammt schlechtes Aura haben, so viele Verwandte von Kunden wie in letzter Zeit in letzter Minute sterben…) oder Kunden die am Termintag einfach nicht erscheinen
Das ist die letzten Messen eher die Regel als die Ausnahme geworden. Wenn man sich auf den Messen so umschaut oder umhört oder auf Facebook liest, dann geht das sehr vielen sehr guten & Weltklassetätowierern reihum so…
Ess ist einfach verdammt frustrierend, an einem Samstag hunderte Kilometer von daheim entfernt versetzt in einer Messehalle zu stehen. Dazu das Wissen, dass daheim Dutzende auf einen Termin bei Dir warten würden und es mehr als genug Arbeit gibt die Du aber an dieser Stelle nicht erledigen kannst. Zudem wäre es auf Deiner Couch eigentlich auch ganz schön…
Wenn ihr euch also schon immer gefragt hab, warum die Templer auf immer weniger Messen fahren oder warum sie zum Teil bis ans andere Ende der Welt ihre eigenen Kunden mitnehmen. Das ist der Grund.
PS: Dieser kurze Artikel ist kurz nach der dritten Terminabsage bzw. dem “nicht mehr melden” für die Tattooconvention Berlin 2016 geschrieben worden, aber auch in 2019 noch gültig.
Stephan Tempel